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Kapitel 2 Fallbezogene Aufgaben

Eine große Universität mit mehr als 20.000 Studierenden und rund 2.100 Mitarbeitern setzt für das Rechnungswesen, die Materialwirtschaft und Personalwirtschaft die ERP-Standardsoftware von SAP ein. Für die Planung des Studienangebots, die Verwaltung der Lehrveranstaltungen, Studierenden, Prüfungen, Studiengebühren und Stipendien kommt selbst entwickelte Studienverwaltungssoftware zum Einsatz. Die operativen Daten des SAP-ERP-Systems und des Studienverwaltungssystems sowie statistische Daten aus externen Quellen werden in einer gesonderten Datenbank (Data-Warehouse) gespeichert, die Abfragen, Berichte und Analysen mittels Data-Science-Methoden zur Entscheidungsunterstützung des Universitätsmanagements erlaubt. Auf das Data-Warehouse-Konzept und Data-Science-Methoden gehen wir im Kapitel 7 näher ein.

Die Universitätsbibliothek verwendet gemeinsam mit vielen weiteren Bibliotheken eines nationalen Bibliothekenverbunds die cloudbasierte Bibliothekssoftware Alma der Firma ExLibris. Cloudbasiert heißt, dass die Standardsoftware für alle teilnehmenden Universitäten gemeinsam in einem Internet-Rechenzentrum betrieben wird. Näheres zum Cloud-Computing folgt in den Kapiteln 2, 5 und 12.

Ein umfangreiches E-Learning-System, das die Studierenden und die Lehrenden beim Lernen/Lehren und Kommunizieren über das Internet unterstützt, wird gemeinsam mit anderen Universitäten auf Basis von Open-Source-Software weiterentwickelt. Das System bietet lehrveranstaltungsbezogene Information (Syllabus, Kalender) und Lernmaterialien (Folien, Kontrollfragen, Musterklausuren, Lecture-Casts, das sind aufgenommene Lehrveranstaltungen in audiovisueller Form, Aufgaben, Lern-Apps), die Unterstützung der Kommunikation in Foren sowie weitere Online-Services wie Lehrveranstaltungsverzeichnis, Prüfungseinsicht, Lehrveranstaltungsevaluierung, elektronische Einreichung, Speicherung und Plagiatsüberprüfung von Abschlussarbeiten. In einer „Student Support Area“ werden Tipps und Tricks sowie praktische Hinweise für das Studium, die Prüfungsvorbereitung und wissenschaftliche Arbeiten angeboten. Durch „Self Assessment Tests“ können Interessierte herausfinden, ob eine bestimmte Studienrichtung das Richtige für sie ist, oder Klausuren der letzten Semester online lösen. Darüber hinaus werden die Lehrenden in umfangreicher Form bei der Planung, Administration und Abwicklung ihrer Lehrveranstaltungen, dem Einsatz von neuen Medien und Lernmaterialien und der Kommunikation mit den Studierenden unterstützt.

Im IT-Bereich („IT-Services“) sind 87 Mitarbeiter (80 Vollzeitäquivalente) beschäftigt. Verglichen mit anderen Universitäten und dem Serviceangebot liegt der IT-Bereich personell unter dem Durchschnitt, was durch einen höheren Zentralisierungs- und Standardisierungsgrad sowie eine weitgehende Selbstbedienung der Studierenden und Mitarbeiter ermöglicht wird.

Im Rektorat (siehe Organigramm) ist die Vizerektorin für Infrastruktur und Digitalisierung für den IT-Bereich zuständig (eine frühere IBM-Generaldirektorin).

Der IT-Bereich wird als Cost-Center geführt und ist in folgende Abteilungen untergliedert:

  • Support Center als die zentrale und erste Anlaufstelle für Studierende und Mitarbeiter bei allen Fragen zur IT, Betreuung der AV-Medientechnik in allen Hörsälen, Besprechungs- und Veranstaltungsräumen (AV ist die Abkürzung für: audiovisuell)
  • Client Infrastructure als Ansprechpartner für die Themen Hard- und Softwareausstattung am Arbeitsplatz für die Mitarbeiter
  • Media Development als Ansprechpartner für die Themen Medien, Kommunikation und Webservices sowie für Videoproduktionen
  • Network Services als Ansprechpartner für die Themen Netzwerkservices und -infrastruktur sowie Telefonie
  • Project Development als Ansprechpartner für die Themen Analyse, Planung und Durchführung von IT-Projekten
  • Server Infrastructure als Ansprechpartner für die Themen E-Mail, Accountverwaltung, Backup und Virtualisierung
  • Software Development als Ansprechpartner für die Themen SAP und Softwareentwicklung in allen administrativen Kernbereichen

Für die Entwicklung und den Betrieb des E-Learning-Systems ist das Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien im Department für Informationsverarbeitung und Prozessmanagement verantwortlich.

Aufgabe 1: Wechselwirkungen zwischen Informationstechnik und Gesellschaft

  1. Welche der auf den Seiten 44 f. des Textbuchs beschriebenen aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung sind auch für Universitäten relevant?
  2. Vertiefen Online-Lernplattformen wie das beschriebene E-Learning-System die digitale Spaltung, weil manche Studieninteressierte beziehungsweise Studierende aufgrund ihrer sozialen Herkunft bezüglich der IT-Nutzungsmöglichkeiten benachteiligt sind? Oder können sie helfen, die Bildungskluft zwischen Jugendlichen aus ärmeren und reicheren Familien oder zwischen Studieninteressierten mit und ohne ausländische Wurzeln zu überwinden?
  3. Welche der oben genannten universitären IT-Services lassen sich zu Cloud-Service-Anbietern im Internet auslagern, bei welchen IT-Services fänden Sie das problematisch?
  4. Welche Probleme beziehungsweise Nachteile sehen Sie aus Sicht des Universitätsmanagements (Rektorats) und der Studierenden, wenn das wissenschaftliche Personal exzessiv von der Möglichkeit der Telearbeit Gebrauch macht?
  5. Können Sie sich IT-Anwendungen an dieser Universität vorstellen, bei denen aus Datenschutz- und Datensicherheitsgründen auf die Integration mit anderen Teilsystemen verzichtet wird?
  6. Als kürzlich bei einer Multiple-Choice-Massenprüfung wieder einmal ein Student erwischt wurde, der für seinen Freund den Test absolvieren wollte, meinte ein für seine originellen Wortspenden bekannter Professor, man solle besser die vor Jahrzehnten eingeführten Studierendenausweise mit RFID-Chip durch in die Hand implantierte Chips ersetzen. Damit sei eine automatische Anwesenheitskontrolle bei Lehrveranstaltungen und eine eindeutige Identifizierung bei Prüfungen möglich. Zum Beispiel habe dje Bundesbahn in Schweden mit implantierten Chips der Firma Biohax anstelle von Fahrkarten und Ausweisen gute Erfahrungen gemacht. Schon mehr als 4.000 Bahnkunden hätten von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Damit könne auch Papier- und Plastikmüll reduziert werden. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
     

Aufgabe 2: Veränderung von Geschäftsmodellen

  1. Was ist das Alleinstellungsmerkmal (USP) Ihrer Universität oder Fachhochschule?
  2. Stellen Sie das Geschäftsmodell Ihrer Universität oder Fachhochschule in Form einer Business-Model-Canvas dar.
  3. Könnte die oben beschriebene Universität heute noch ohne massiven IT-Einsatz funktionieren?
  4. Wird die traditionelle universitäre Lehre durch Online-Lernplattformen wie das beschriebene E-Learning-System zunehmend obsolet? Sind Universitäten, die die Möglichkeiten von E-Learning nicht intensiv nutzen, von der Ausschaltung bedroht?
  5. Wie könnte sich das Geschäftsmodell Ihrer Universität oder Fachhochschule im kommenden Jahrzehnt durch den IT-Einsatz verändern?
     

Aufgabe 3: Tätigkeitsfelder der Wirtschaftsinformatik

  1. Wie beurteilen Sie die Einordnung des IT-Bereichs in die Aufbauorganisation der Universität? Könnte es sinnvoll sein, in der Verwaltung und den wissenschaftlichen Departments eigene IS-Entwicklungsabteilungen einzurichten? Welche Konsequenzen hätte das in personeller und kostenmäßiger Hinsicht?
  2. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Entwicklung und der Betrieb des E-Learning-Systems in einem wissenschaftlichen Institut und nicht zentral im IT-Bereich erfolgen? Erscheint Ihnen diese Aufgabenzuteilung sinnvoll?
  3. Der IT-Bereich der Universität wird als Cost-Center geführt. Für wen – Universitätsführung, wissenschaftliches und administratives Personal, IT-Mitarbeiter oder Studierende – könnte es Vorteile haben, wenn die Umwandlung in ein Profit-Center erfolgen würde?
  4. Welche Qualifikationen sollte das Personal in den verschiedenen Abteilungen des IT-Bereichs der Universität besitzen? Welche IT-Berufsbilder entsprechen diesen fachlichen Anforderungen?
  5. Die Universität hat große Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung freiwerdender Stellen im IT-Bereich. Als Gründe werden das mäßige Gehaltsniveau und der Mangel an IT-Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt genannt. Wie könnte die Universität auf den IT-Fachkräftemangel reagieren?
  6. Welche Tätigkeiten verrichtet ein Benutzerbetreuer für das E-Learning-System?